Digitaler Zivilprozess und virtuelle Gerichtsgebäude

Dr. Martin Fries, Privatdozent mit Faible für Zivilrecht, Verfahrensrecht, Legal Tech und unternehmerisches Denken

Wie würde ein Gericht aussehen, wenn man eine 20jährige heute damit beauftragen würde, das nach ihren Vorstellungen zu bauen? Diese Frage warf Dr. Martin Fries, Privatdozent an der LMU München, auf in seinem Vortrag unter dem Titel „Digitaler Zivilprozess – Gürteltiere sind bald Geschichte“, den er Anfang der Woche im Rahmen des Informations- und Medienrechtlichen Kolloquiums Saarbrücken (IMK) hielt.

Gericht im Internet

Fries vermutete, es käme gar kein Gerichtsgebäude dabei heraus, sondern eine Art Prozess-Management-Portal im Internet, über das die zivilrechtlichen Streitigkeiten abgewickelt würden. Die Schriftsätze kämen als strukturierte Datensätze herein und wären damit  der automatischen Verarbeitung wesentlich zugänglicher als die heute üblichen PDF.

Second Life

Vor 15 Jahren hatten wir mit dem JuraWiki tatsächlich mal ein Gerichtsgebäude gebaut. Das war weder aus Stein, noch eine Website, sondern ein virtuelles Gebäude in Second Life. Sie erinnern sich? Second Life, das war 2007 der heiße Scheiß im Internet. Wir haben dort nicht nur das Gerichtsgebäude gebaut, sondern darin einen (allerdings Straf-) Prozess durchgeführt. Das erregte so viel Aufsehen, dass das sogar in den Nachrichten kam (in Second Life).

Die Seite im JuraWiki gibt es noch und eine schöne Beschreibung des Projekts für unser Teilnahme am Deutschen E-Learning-Innovations- und Nachwuchs-Award.

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Virtuell verhandeln und arbeiten

Die Gerichtsverhandlung lief so gut und das Gefühl, tatsächlich mit anderen in einem Raum zu sein war – trotz der letztlich nur comic-artigen Grafik – so „echt“, dass ich damals fest daran glaubte, dass das kommen wird („in 5, 15 oder 50 Jahren“). Und zwar nicht nur für Gerichte, sondern für alle mögliche Büroarbeit, dass also die Firmen in Server investieren statt in Bürogebäude und man von zu Hause mit VR-Brille (oder noch besser: im Holodeck) arbeitet.

Metaverse geht jetzt in diese Richtung und Mark Zuckerberg hat sicherlich auch die Mittel , das umzusetzen. Ich bin sehr gespannt.

Ausblick

Möglicherweise erledigt sich das Problem mit dem Unmittelbarkeitsgrundsatz in der Gerichtsverhanldung dann dadurch, dass uns das alles in ein paar Jahren ganz selbstverständlich und die Avatare „unmittelbar genug“ erscheinen.

A propos: Seltsamerweise sollte der Vortrag ursprünglich an der Uni in Saarbrücken in Präsenz stattfinden. Hier erwies sich Corona wieder mal als Motor des Fortschritts und die Veranstaltung wurde – dem Thema angemessen – ins Internet verlegt. 

Der gesamte Vortrag von Dr. Fries mit anschließender Diskussion ist online abrufbar. Sehr zu empfehlen! Dort finden Sie auch eine kurze schriftliche Zusammenfassung.

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