Legal Tech in der Anwaltschaft – Vortrag von Lina Krawietz

Mit Legal Tech in der Anwaltschaft und deren Auswirkungen auf Mandantschaft und Justiz beschäftigte sich Lina Krawietz beim 30. EDV-Gerichtstag. In ihrem Vortrag ging sie auch auf das Thema Mandatsakquisition ein.

Mandate akquirieren mit „Legal Tech“

Ausgehend von einem sehr weiten Verständnis von Legal Tech („jede Verwendung technischer Hilfsmittel im Kontext juristischer Tätigkeiten“) würden Kanzleien zunehmend den Einsatz rein interner Tools nach außen bekannt machen, um sich besonders innovativ und fortschrittlich auf dem Markt zu präsentieren.

Darüber hinaus könnten kleine Tools auf der Kanzleihomepage, die den Nutzern einen Mehrwert bieten, den Weg in die Kanzlei und zum Mandat ebnen. Sie nannte „dynamische Fragenkataloge“ für Arbeitnehmer, wie sie zum Beispiel der Kollege Markus Hartung einsetzt. Letztlich handelt es sich um Kontaktformulare, die nach Abfrage bestimmter Daten ganz geschickt ein Zwischenergebnis zeigen, etwa dass die Kündigung möglicherweise unwirksam ist, wenn sie mündlich erfolgte.

Auf einen interessanten Aspekt von Online Formularen wies Jörn Erbguth in der anschließenden Diskussion hin: Viele Menschen hätten Scheu vor Anwälten und auch Angst vor den Kosten. Sie seien es aber gewohnt, im Internet Formulare auszufüllen. Manchmal wolle man den Sachverhalt gar nicht persönlich schildern, sondern einfach nur schnell eine Antwort.

Das deckt sich mit meiner Erfahrung, dass solche Formulare beliebt sind und je nach Ausgestaltung durchaus häufiger abgesendet werden, als dass ganz klassisch in der Kanzlei angerufen wird.

Den Nutzer und seine Bedürfnisse verstehen

Lina Krawietz beschäftigt sich mit der Gestaltung digitaler Produkte und bezeichnet sich selbst als „Legal Designerin“. Ihre zentrale These ist, dass man zunächst immer die Bedürfnissen der Nutzer untersuchen und dann herausfinden müsse, ob und wie Technik dabei helfen könne, den Nutzern einen Mehrwert zu bieten. Legal Tech sei kein Selbstzweck und nicht für alles die Lösung. Wenn aber Technik zum Einsatz kommen soll, könne Legal Design helfen, dass die Implementierung gelingt.

Mehr möglich, als sich die meisten vorstellen können

Auch im juristischen Bereich sei technisch schon mehr möglich, als sich die meisten vorstellen könnten. So würden in Massenverfahren riesige Dokumentenmengen automatisiert analysiert, was dann zu Stau bei den Gerichten führe. Die Justiz reagiere auf den Innovationsdruck: Die Bayerische Justiz z. B. sei gerade dabei, ein KI-Tool für Dieselklagen einzuführen.

Die Zukunft der anwaltlichen Dienstleistung

Netflix, Amazon, Apple usw. prägten die Erwartungen der Nutzer auch an Rechtsdienstleistungen. Unser Moderator Dr. Thomas Lapp erwähnte das iPhone, das innerhalb kürzester Zeit quasi alle anderen Anbieter „vom Mark gefegt“ habe.

Ist so etwas auch auf dem Rechtsdienstleistungsmarkt denkbar, dass also ein Anbieter die Dinge mal richtig angeht und damit alle anderen überflüssig macht? Das fragte ich die Referentin.

Lina Krawietz zeigte sich überzeugt, dass Rechtsanwälte nicht unwichtiger würden, aber ihre Rolle sich verändern werde. Sie rief die Kolleginnen und Kollegen dazu auf, den Wandel proaktiv und bewusst mit zu gestalten und die Kernwerte der Anwaltschaft mit einfließen zu lassen, nämlich für einen Mehrwert für die Mandantschaft zu sorgen.

Einige Akteure würden Schwierigkeiten bekommen, weil bestimmte Rechtsdienstleistungen nutzerfreundlicher angeboten würden und den Anwälten das Geschäft streitig machten, aber das sei völlig in Ordnung.

Trost gab es von Prof. Dr. Wilfried Bernhardt, der in der Diskussion zu bedenken gab, dass es den Mandanten manchmal auch darum gehe, „einfach nur gehört“ zu werden. Der Mensch bleibt also unverzichtbar.

1 Antwort
  1. Jörn Erbguth
    Jörn Erbguth sagte:

    Eine schöne Zusmmenfassung, Ralf!
    Wer seinen Flugpreis zurückerstattet bekommen möchte, möchte in der Regel einfach nur das. Wer sich über seine Nachbar*in ärgert oder eine strittige Scheidung durchmacht, braucht da häufig jemanden, d*ie zuhört, d*ie empathisch ist und d*ie einen nicht nur juristischen Rat gibt.
    Legal Tech kann auch für Gerichte ein Effizienzgewinn sein, wenn dort Schnittstellen angeboten werden, mit dem gleichartige Verfahren standardisiert und teilautomatisiert verarbeitet werden. Da kommt die geplante EU KI-Verordnung ins Spiel, die parktisch jegliche EDV als KI qualifiziert. Dort wird als besonders streng regulierter Hochrisikoeinsatz gesehen, wenn Systeme bestimmungsgemäß Justizbehörden bei der Ermittlung und Auslegung von Sachverhalten und Rechtsvorschriften und bei der Anwendung des Rechts auf konkrete Sachverhalte unterstützen sollen. Sollte der aktuelle Entwurf nicht noch nachgebessert werden, könnte das ein großer Bremsklotz für Legal Tech in Europa werden.

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