„OK Google, bitte reich die Scheidung ein“

Wie finden wir mit digitalen Assistenten zum Anwalt?

„In fünf Jahren werden wir an einem Punkt sein, dass die Sprachassistenten so fest in unserem Leben verankert sein werden, dass wir uns nicht vorstellen können, ohne diesen Helfer zu leben. So wie es jetzt mit dem Smartphone der Fall ist.“

Das sagt Scott Huffman, der Vize-Chefingenieur von Google in einem aktuellen Interview auf wired.de voraus. Ob das wirklich so rasant geht, wird sich zeigen. Aber auch ich bin überzeugt: Die Revolution der digitalen Assistenten wird kommen.

Die Kommunikation per Sprache ist dabei nur ein Aspekt – wenn auch ein sehr wichtiger. Je natürlicher wir uns mit dem digitalen Assistenten unterhalten können, umso normaler wird das für uns. Und das eröffnet der Technik (bzw. deren Herren) völlig neue Möglichkeiten, Einfluss auf unser Leben zu nehmen.

Damit sich die Assistenten auf dem Massenmarkt durchsetzen, ist es entscheidend, dass sie „lernen, sich übergangslos mit den unterschiedlichsten Diensten und Programmen zu verbinden.“ Scott Huffman weiter:

„Und mit übergangslos meine ich, dass ich dabei auch gefahrlos persönliche Daten übertragen kann, sei es meine Identität, meine Adresse oder meine Bankdaten – so wie das heute schon im Netz funktioniert. Wenn das über all meine Geräte hinweg funktioniert, mit so alltäglichen Dingen wie dem Buchen eines Taxis oder dem Bestellen einer Pizza, dann wird es so sein, als hätte jeder von uns eine kleine Person auf seiner Schulter sitzen. Um solche Dinge würde man sich nicht mehr selbst kümmern müssen. Dafür gibt es dann diese kleine Person. Wir machen zwar ganz kleine Schritte bei der Entwicklung des Sprachassistenten, aber das ist das Ziel.“

„Rufe mir ein Taxi!“ Das geht per Sprache natürlich viel einfacher und schneller, als umständlich „Taxi“ ins Smartphone einzutippen und dann aus der Trefferliste eins auszuwählen.

Wir werden den Assistenten vertrauen und auch deren Empfehlungen. Beim Taxi ist mir egal, welches Unternehmen angerufen wird. Ich brauche keine sortierte Trefferliste. Die Antwort: „Das Taxi ist unterwegs!“ genügt mir völlig. Die künstliche Intelligenz nimmt mir die Entscheidung ab.

Damit stellt sich die Frage: Wen wählt der Assistent aus? Und nach welchen Kriterien?

Ich denke, die Grundprinzipien bleiben die gleichen wie derzeit bei Google:

Beim Ranking wird auch in Zukunft versucht werden, die Interessen des Nutzers (möglichst schnell ein zuverlässiges Taxi) mit den Interessen des Betreibers (Profit) zum Ausgleich zu bringen.

So werden Unternehmen sicherlich auch weiterhin für Geld bevorzugt behandelt werden – wenn Google die „guten Gewissens“ empfehlen kann, also z. B. auch die Bewertungen stimmen und gerade ein Wagen in der Nähe ist.

Wenn das klappt, werden wir uns bald beim Taxi und vielleicht auch bei der Pizzabestellung blind auf die Empfehlung der KI verlassen.

Und wenn ich einen Anwalt brauche?

Alles hängt davon ab, wie gut das System insgesamt funktioniert. Wenn mich der Assistent irgendwann nie (oder nur sehr selten) enttäuscht, vertraue ich ihm vielleicht auch in der Anwalts-Frage.

Oder der Assistent führt gekonnt am Anwalt vorbei. Beispiel:

  • „OK Google, ich bin geblitzt worden. Kannst du mir einen Anwalt empfehlen?“
  • „Nicht direkt, aber Anbieter XY ist auf solche Fälle spezialisiert. Soll ich den kontaktieren?“

Aber nehmen wir mal an, ich suche wirklich den Anwalt meines Vertrauens. Das wird es ja auch in Zukunft geben – trotz Legaltech-Hype. Bisher läuft das doch in der Regel so, dass ich entsprechende Begriffe google, dann die Trefferliste (inklusive AdWords-Anzeigen) durchgehe, mir verschiedene Kanzleihomepages anschaue und so lange recherchiere, bis mich ein Anwalt überzeugt. Den rufe ich an oder nehme sonst wie Kontakt auf.

Mit dem digitalen Assistenten könnte sich die Anwaltssuche so gestalten:

  • OK Google, bitte reich die Scheidung ein!
  • Du willst dich scheiden lassen? Willst du es nicht vielleicht vorher noch einmal mit einer Paar-Therapie versuchen. Ich kenne da einen …
  • Ich will mich wirklich scheiden lassen!
  • OK, dann brauchst du einen Anwalt …
  • Wieso das denn?
  • Ist gesetzlich vorgeschrieben. Willst du mehr darüber wissen?
  • Nein, schon gut. Also, welchen Anwalt kannst du empfehlen?
  • Ich kenne viele gute Scheidungsanwälte. Was ist dir denn bei deinem Anwalt besonders wichtig?
  • Na ja, der sollte sich gut auskennen und die Sache fix erledigen. Und allzu teuer soll der natürlich auch nicht sein.

Man kann das weiterspinnen bis hin zu einer konkreten Empfehlung bzw. der Beauftragung eines Anwalts. Im Dialog lassen sich bekanntlich auch komplexeste Fragestellungen bewältigen – warum also nicht auch automatisch?

Die für die Anwaltsauswahl relevanten Daten lassen sich gut strukturieren: Spezialisierung, Fachanwaltschaften, Jahr der Zulassung, Beziehungen zu Kollegen, Veröffentlichungen usw. Bei der Aufbereitung der Daten könnten die Anwälte selbst (wie jetzt schon bei Google My Business) und auch die übrigen Nutzer helfen.

Auch ohne Watson-Supercomputer sollten Dialogsysteme auf Grundlage so strukturierter Daten eigentlich schon heute ganz gut funktionieren. Und nicht alles, was als Dialog startet, muss so fortgeführt werden. Huffmann: „Der Assistent könnte diese Informationen auf das Smartphone schicken und der Nutzer braucht sie nur noch zu lesen.“

Was noch?

Die digitalen Assistenten könnten freilich nicht nur bei der Auswahl des Rechtsanwalts helfen, sondern auch schon Teile der Rechtsberatung übernehmen. Über Schnittstellen werden Anwälte (und andere) ihr Jura-Wissen in das System einfließen lassen. Auch eine Möglichkeit, auf sich aufmerksam zu machen, vgl. etwa die Alexa-Skills.

Neben den technischen Herausforderungen und den unübersehbaren Auswirkungen auf die Anwaltsbranche (und nicht nur die!) werfen die digitalen Assistenten auch interessante Rechtsfragen auf. Muss man z. B. eine Empfehlung, die zu einem undurchschaubaren Anteil durch eine Geldzahlung des Werbetreibenden beeinflusst wurde, in der Sprachausgabe als Werbung kennzeichnen und wenn ja, wie?

Mein Fazit

In wenigen Jahren werden digitale Assistenten beim Anwaltsmarketing an Bedeutung gewinnen. Die neuen Möglichkeiten werden die alten nicht ablösen, sondern ergänzen. Es bleibt komplex – und spannend.

3 Kommentare
  1. Klaus Löfflad
    Klaus Löfflad sagte:

    Beim Lesen des Textes stellte sich mir die Frage, ob mein persönlicher Sprachassistent dann auch Provisionen vom empfohlenen Dienstleister erhält. Weiter noch: ist er eine Person?

  2. Ralf Zosel
    Ralf Zosel sagte:

    Zur Klarstellung: Die o. g. Beispiele sollen zeigen, wie der Dialog ablaufen könnte. Noch ist das nicht Realität. Für „Empfehlungen“ in der Google Trefferliste (via AdWords) kassiert Google Geld – warum sollte das beim Sprachassistenten anders sein? Die Frage nach der „Person“ verstehe ich nicht.

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