Meine Eindrücke vom DAT 2023 in Wiesbaden

Nach drei Jahren Pause war ich letzte Woche endlich mal wieder beim Deutschen Anwaltstag, diesmal in Wiesbaden – also quasi um die Ecke.

Online ./. Offline

Mit den Online-Vorträgen ging es schon am Montag los und obwohl ich mir einiges rausgepickt hatte, ist man im Büro vor dem Bildschirm doch nicht so bei der Sache, wie wenn man unerreichbar in einem Tagungsraum oder gar mittendrin bei der Eröffnungsveranstaltung sitzt. Die Atmosphäre, der persönliche Eindruck, die Gespräche vor und nach dem Vortrag – all das lässt sich online nicht wirklich ersetzen. Im Vergleich ist der Aufwand für so eine Präsenzveranstaltung natürlich enorm, aber ab und zu kann man sich das geben.

Advotec geschrumpft?

Besprechungsbox von juris
Die Besprechungsbox von juris.

Das Erste, was mir vor Ort in Wiesbaden auffiel: Die Ausstellermesse Advotec war auch schon mal größer, oder nicht? Offenbar ist auch anderen Ausstellern über Corona aufgefallen, dass es ganz gut ohne geht. Von meinen früheren Arbeitgebern war nur noch C.H.Beck „ganz normal“ vertreten, e.Consult fehlte ganz und juris hatte eine Art „Notstand“. Der bestand aus ein paar Sofas und zwei Boxen, die man zum Arbeiten bzw. für Besprechungen nutzen konnte, was sich für meine Gespräche mit Kunden und Interessenten als ganz praktisch herausstellte.

RA-MICRO setzt auf KI

Dr. Becker erklärt seine KI-Zukunfts-Vision
Dr. Becker erklärt seine KI-Zukunfts-Vision.

Der Stand von RA-MICRO war der größte und Dr. Peter Becker hielt dort eine flammende Rede zum Thema Künstliche Intelligenz. Man müsse die Zeit unterteilen in die Zeit vor KI und die Zeit nach KI. Ich dachte: Hoppla, so wie bei Jesus Christus?! Das Ziel bei RA-MICRO sei, in allen Bereichen des Unternehmens KI einzusetzen.

Man experimentiere bereits damit, KI – genauer gesagt ChatGPT-4 – in die Kanzleisoftware zu integrieren. Die Idee ist offenbar, alle in der Kanzlei verfügbaren Informationen über ChatGPT zu erschließen. Wegen Daten- und Mandantenschutz müsse dazu zunächst alles anonymisiert werden. Der „Anonymer“ ist schon öffentlich zugänglich:

http://jura-ai.de:5050/anon

Ebenso „JURA-AI“ in der Beta-Version, die Dr. Becker auch vorführte:

http://beta.jura-ai.de

Überhaupt wolle man so viel wie möglich frei zugänglich machen und auch Nicht-RA-MICRO-Kunden zur Verfügung stellen. Es solle sogar möglich sein, dass die KI den eigenen Stil aus den vorhandenen Schriftsätzen lerne. Fundstellen, die die KI möglicherweise herbeiphantasiert oder „halluziniert“, können man automatisch überprüfen. Am Ende solle alles über die von Microsoft angekündigte ChatGPT-Schnittstelle von MS-Office („Copilot„) zugänglich sein.

Natürliche Intelligenz bleibt gefragt

Zweifellos, spätestens wenn GPT in Word, Outlook usw. flächendeckend zur Verfügung steht, wird das einen enormen Schub geben und die Arbeitsweise von Juristen in mancher Hinsicht verändern. Natürliche Intelligenz bleibt aber gefragt, das zeigt sich an vielen Beispielen wie etwa in dem vom Kollegen Capellmann als Moderator zitierten: Herberger, ZAP 2023, 465 – sehr lesenswert!

KI-Grundlagen und Einsatzgebiete für Juristen

Etwas nüchterner, aber nicht weniger interessant war der Vortrag von Christian Harz, Legal Engineer bei Wolters Kluwer. Der gab einen groben Überblick zur KI insgesamt und wie sich GPT darin einordnen lässt, welche „Large Language Models“ (LLM) es gibt und was die „large“ macht, wie die grundsätzlich funktionieren und wie man sich diese next word prediction vorstellen kann.

Interessant fand ich seine Einschätzung, wobei GPT uns Juristen helfen kann und wo eher nicht – sinngemäß so:

Kann man tunSollte man lassen
ZusammenfassungenFragen nach juristischen Themen
Informationen aus Texten extrahierenFinden von Normen / Entscheidungen
Texte anders formulieren / vereinfachenFinden von Fundstellen
natürliche Sprache als Sucheingabe verwendenReproduzierbarkeit
Unterschiede (bspw. von Entscheidungen) erkennenBestimmte Informationen eingeben

Nachhaltigkeit

„KI“ war gefühlt überall ein Thema, aber eigentlich stand der Anwaltstag unter dem Motto „Nachhaltigkeit“. Von den zahlreichen Vorträgen dazu fand ich besonders praktisch den einer jungen Kollegin Jennifer Seyderhelm, die auch Mitglied von Lawyers for Future ist. Sie gab Handlungsempfehlungen, was man konkret tun kann, um als Rechtsanwalty so umweltverträglich wie möglich zu arbeiten, von ganz banalen Dingen wie die Heizung am Wochenende in der Kanzlei runterstellen bis hin zur Empfehlung, Mandanten, die gegen die eigene umweltpolitische Überzeugung handeln, nicht zu vertreten – was durchaus kontrovers diskutiert wurde.

Mein Fazit

Dieses Jahr konnte ich mich die drei Tage mehr oder weniger treiben lassen und unter’m Strich hatte ich wahrscheinlich mehr interessante Gespräche mit Kollegys und auch interessanten Austellys als mit eigenem Stand. Auch das Rahmenprogramm war wieder super – das Essen und auch die Musik. Schade nur, dass die Wiesbadener Juristenband so früh fertig war – vielleicht hätten die einfach nach dem Essen starten sollen und man hätte mehr davon gehabt.

Ich denke, nächstes Jahr in Bielefeld (5. – 7. Juni 2024) bin ich wieder dabei.

Nachtrag: Mir war der Name der Kollegin Seyderhelm zunächst entfallen, wofür ich um Entschuldigung bitte. Ich habe den jetzt nachträglich oben ergänzt.

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