Facebook-Gruppe nur für Rechtsanwälte

Die Facebook-Gruppe “Rechtsanwälte – das virtuelle Nebenzimmer” hat 419 Mitglieder. Wer hier rein will, muss eine Zulassung als Rechtsanwalt vorweisen können.

Öffentliche Ansicht der geschlossenen Facebebook-Gruppe (Screenshot)

Öffentliche Ansicht der geschlossenen Facebebook-Gruppe

In der Gruppenbeschreibung heißt es: “Hier sind Rechtsanwälte und Rechtsanwältinnen ‘unter sich’. Die Gruppe dient dem kollegialen Austausch. Fragen, Ideen, Geschichten aus dem Berufsalltag sind gerne gesehen – hochnäsige Arroganz von Besserwissern sollte unterbleiben. Eigenwerbung sollte unterbleiben.” Und weiter unter “Grundregeln”: “1. Gegenseitiger Respekt ist selbstverständlich. 2. Was in der Gruppe diskutiert wird, bleibt in der Gruppe und gehört nicht in die Öffentlichkeit.”.

Gegründet hat die Gruppe Rechtsanwalt Andreas Schwartmann aus Köln Ende 2015 als Gegenentwurf zur Gruppe “Rechtsanwälte”, in der sich auch “einige Mitglieder tummeln, die keine zugelassenen Rechtsanwälte sind” – wie er in seinem Blog “Rheinrecht” erklärt.

Ich hatte Gelegenheit, mit dem Kollegen Schwartmann über die Gruppe zu sprechen und ihn ein bisschen auszufragen.

Herr Schwartmann, ich kenne Sie jetzt schon seit 10 Jahren als einen sehr aktiven Kollegen, der bloggt, twittert usw. und auf den man im Internet immer wieder stößt. Von daher hat es mich nicht überrascht, dass Sie hinter der geschlossenen Anwalts-Gruppe “Rechtsanwälte – das virtuelle Nebenzimmer” stecken, auf die ich jetzt per Zufall auf Facebook gestoßen war. Was war Ihre Motivation, diese Gruppe zu gründen?

Rechtsanwalt Andreas Schwartmann (Foto)

Rechtsanwalt Andreas Schwartmann aus Köln, Gründer der geschlossenen Facebook-Gruppe „Rechtsanwälte – das virtuelle Nebenzimmer“

Wie Sie bereits zutreffend festgestellt haben, gibt es auf Facebook eine weitere Gruppe, die sich einfach nur “Rechtsanwälte” nennt. Historisch bedingt finden sich dort aber auch einige Mitglieder, die gar keine Rechtsanwälte sind. Dies hat dort Ende 2015 zu einer Diskussion geführt an deren Ende der Wunsch zahlreicher Kollegen nach einer reinen “Anwaltsgruppe” stand. Die habe ich dann kurzerhand gegründet und administriere sie seitdem gemeinsam mit dem Kollegen Jan H. Gerth.

Sie haben die Gruppe mit einem einzigen Blogbeitrag beworben – sonst habe ich nichts dazu gefunden. Wie haben Sie die Gruppe publik gemacht und wie hat sich die Mitgliederzahl entwickelt?

Geworben habe ich für die Gruppe natürlich zunächst in der bereits erwähnten Ausgangsgruppe. Das war auch kein Problem, denn die Gruppen verstehen sich nicht als Konkurrenz, sondern existieren friedlich nebeneinander. Außerdem habe ich auf Twitter darüber berichtet  – und in der Mailingliste der Rechtsanwälte, in der sich auch zahlreiche Kollegen tummeln (http://www.anwalt-liste.de). Die Gruppe ist dann sehr schnell gewachsen und wird auch weiterhin stetig größer. Wer in Deutschland als Anwalt zugelassen ist, darf grundsätzlich mitmachen, wobei aber auch Wert auf Kollegialität gelegt wird. So haben wir in dem ein oder anderen Fall einen Beitritt abgelehnt, weil der Kollege andernorts bereits negativ aufgefallen war.

Ich habe ein bisschen in den Posts der letzten Tage geschmökert. Es gibt alle paar Tage eine neue Frage, manchmal auch zwei oder drei Fragen an einem Tag. Vor allem aber fasziniert mich, wie schnell, ausführlich und hilfsbereit die Community auf Anfragen reagiert. Wie sehen Sie das?

Das ist genau Sinn und Zweck dieser Gruppe. Denn niemand weiß alles, auch wenn wir vielleicht alle wissen, wo man nachschauen könnte. Aber die Gruppe trägt ja nicht ohne Grund den Zusatz “Das virtuelle Nebenzimmer”: Wie in einem Büro mit mehreren Kollegen kann man ohne Umstände und falschen Stolz einfach mal schnell vielleicht erfahrenere Kollegen um Hilfe oder deren Einschätzung zu einem Sachverhalt bitten. Jeder weiß etwas, was andere sich erst mühevoll zusammensuchen müssen. Oder betrachtet eine Rechtsfrage vielleicht aus einem ganz anderen Blickwinkel. Und da die Gruppe keine Einbahnstraße ist, profitiert von diesem kollegialen Umgang letztlich irgendwann jeder einmal.

Insgesamt geben sich die Kolleginnen und Kollegen – in der geschlossenen Gruppe – sehr offen. Natürlich werden keine Mandanten-Geheimnisse preisgegeben, hier achtet wohl jeder peinlichst auf Anonymisierung. Ich meine Äußerungen wie “Dieser Fall übersteigt mit den ständigen Ausflügen ins Strafrecht wirklich meine Kompetenzen …” oder “Ich selbst habe von Steuerrecht keine Ahnung, leider …”. Überhaupt scheinen Bitten um kollegialen Rat in Rechtsfragen außerhalb der eigenen Expertise am häufigsten zu sein, oder?

Ja, denn da ist natürlich auch die Scheu, sich als unwissend darzustellen, eher gering. Ein Fachanwalt für Mietrecht wird gelegentlich auch mit baurechtlichen Fragestellungen konfrontiert. Dann stellen sich Fragen, die ein Mietrechtler erst umständlich recherchieren müsste, ein Baurechtler aber vielleicht “aus der Lameng” beantworten kann.

Müsste man eigentlich vor dem Posten konkreter Fragen schauen, ob nicht auch der gegnerische Anwalt in der Gruppe ist?

Das empfiehlt sich natürlich, aber bei ca. 420 Gruppenmitgliedern und ca. 165.000 zugelassenen Anwälten in Deutschland stellt sich die Problematik nur sehr selten.

Gab es oder gibt es schon mal Konflikte in der Gruppe oder verläuft immer alles friedlich?

Kollege Gerth und ich achten darauf, dass der gegenseitige Respekt gewahrt bleibt. Es ist auch schon einmal vorgekommen, dass ein Kollege aus der Gruppe ausgeschlossen wurde, weil er “gepöbelt” und andere Teilnehmer beleidigt hat. Das war aber zum Glück bisher ein Einzelfall. Ein anderer, recht bekannter und fachlich sehr versierter Kollege hat die Gruppe regelmäßig mit seinen Blogbeiträgen “versorgt”. Da die Gruppe natürlich sehr schnell sehr unübersichtlich würde, wenn jeder bloggende Anwalt dort seine Beiträge veröffentlichen würde, haben wir ihn nach einigen Beschwerden und internen Diskussionen gebeten, davon künftig Abstand zu nehmen – das führte zu heftigen Diskussionen und leider auch einigen, wenigen Austritten. Wir halten diese Entscheidung aber weiterhin für richtig, denn die Blogbeiträge des Kollegen kann schließlich jeder interessierte Leser außerhalb der Facebook-Gruppe verfolgen.

Welchen Aufwand müssen Sie als Gruppen-Administrator treiben?

Der Aufwand hält sich in Grenzen. Streitschlichtend eingreifen müssen wir nur sehr, sehr selten. Und davon abgesehen müssen nur die 20 bis 30 Beitrittswünsche, die wir wöchentlich zu verzeichnen haben, geprüft werden. Wir gleichen diese in der Regel mit dem Anwaltsverzeichnis der BRAK ab. Leider begehren immer mehr Nicht-Anwälte Einlass in die Gruppe, obwohl die Gruppenbeschreibung die Aufnahmekriterien klar und deutlich benennen. Die lehnen wir dann natürlich ab.

Was treibt Sie persönlich an, Zeit und Energie in dieses Projekt zu stecken?

Ich mag meinen Beruf und den kollegialen Austausch und lerne selbst immer gerne dazu. Die Facebook-Gruppe bietet dazu eine ideal Plattform.

Haben Sie weitere Projekte oder konkrete Pläne? Was sind Ihre Wünsche für die Zukunft?

Im letzten Jahr habe ich auf Facebook die Gruppe beA-Hilfe: Die inoffizielle Supportgruppe für beA-Anwender gegründet, welche ich ebenfalls gemeinsam mit dem Kollegen Gerth moderiere. Das Thema beA wird uns Anwälte ja in nächster Zeit zunehmend beschäftigen und der Erfolg dieser Gruppe, die mittlerweile 1.332 Mitglieder hat (Stand 20.03.2017) belegt den sehr großen Support-Bedarf in diesem Bereich. Auch diese Gruppe ist sehr kollegial, aber nicht nur für Rechtsanwälte gedacht. Beide Gruppen bieten letztlich “Hilfe zur Selbsthilfe” und ich wünsche mir, dass in beiden Gruppen der bislang gezeigte hohe Standard an kollegialem Miteinander noch lange gepflegt werden wird.

Herr Schwartmann, ich danke Ihnen sehr für das Gespräch und wünsche Ihnen und uns mit der Gruppe weiterhin einen regen kollegialen Austausch und alles Gute.

8 Kommentare
  1. Stefan Ivo
    Stefan Ivo sagte:

    Ein Rechtsanwalt, der sich bei der Beantwortung mandatsbezogener Rechtsfragen auf Auskünfte verlässt, die ihm irgendein völlig unbekannter, für nichts haftender Kollege aus der Facebook-Gruppe mal eben „aus der lameng“ erteilt hat, macht sich ja wohl einer groben Verletzung seiner mandatsbezogenen Sorgfaltspflichten schuldig.

    Man weiß deshalb gar nicht, was man schlimmer finden soll – dass in dieser Facebook-Gruppe „Bitten um kollegialen Rat in Rechtsfragen außerhalb der eigenen Expertise am häufigsten“ sind oder dass offenbar alle Beteiligten das für völlig normal halten (die beiden Interview-Partner hier eingeschlossen).

  2. Ralf Zosel
    Ralf Zosel sagte:

    Na ja, sagt ja keiner, dass man sich blind auf alles verlassen soll. Aber die Praxis zeigt doch, dass durchaus viele sehr hilfreiche Hinweise und Tipps von den Kolleginnen und Kollegen kommen. Warum soll man das nicht nutzen? Und es entstehen ja auch regelmäßig Diskussionen, d. h. alles steht unter strenger Beobachtung der Community. Auch keine Garantie, aber immerhin.

  3. RA Gerth
    RA Gerth sagte:

    Wo liegt der Unterschied, ob der Kollege in einer Großkanzlei seinen Büronachbarn nach einem Rat fragt, dieser den Tipp gibt oder Kolleginnen und Kollegen, zumeist Einzelanwälte, die keinen „echten“ Büronachbarn haben das „virtuelle“ Nebenzimmer betreten und genauso fragen? Das Denken, Überprüfen und Anwenden wird in beiden Fällen nicht abgenommen.

  4. RA Dedden
    RA Dedden sagte:

    Genau das ist der Punkt! Es geht nicht um konkrete Fertiglösungen, sondern um Einzelfragen, die man sonst mit dem Kollegen ein Zimmer weiter oder in der Kanzlei-Teeküche besprechen würde. Und Fragen wie „gibt es neuere, nicht im Standardkommentar erwähnte Urteile zur Konstellation X“ oder „wer kann einen Fall vor dem Gericht Y übernehmen“ stellen sich auch dem selbständigsten Fallbearbeiter, der sich in der Sache von niemandem reinreden lässt.

  5. Stefan Ivo
    Stefan Ivo sagte:

    Im Interview oben ist explizit die Rede von den steuerrechtlichen oder strafrechtlichen Implikationen, die zB ein zivilrechtliches Beratungsmandat mit sich bringen kann. Dass der sachbearbeitende Anwalt sich hierüber mit den einschlägig spezialisierten Kanzleikollegen austauscht, ist evident sachgerecht und idR von dem Mandanten geradezu erwünscht, und deshalb bräuchte man das ja auch nicht vor dem Mandanten zu verheimlichen.

    Genauso eindeutig ist es aber weder sachgerecht noch erwünscht, dass der sachbearbeitende Anwalt sich die „Informationen“ von Kollegen aus dem Internet besorgt, über deren Qualifikation ihm eben nichts Näheres bekannt sein kann – exakt deswegen wird ja auch die Heimlichtuerei betrieben, durch die sich die neue Facebook-Gruppe von der alten unterscheidet.

    Dass es auch harmlose Tipps geben kann, versteht sich von selbst, aber über die reden wir hier nicht.

  6. RA Dedden
    RA Dedden sagte:

    „exakt deswegen wird ja auch die Heimlichtuerei betrieben, durch die sich die neue Facebook-Gruppe von der alten unterscheidet“ – das trifft so nicht zu. Es ging darum, dass keine Werbung mit der Zielgruppe „Rechtsanwälte“ betrieben wird und darum, dass man sich auf fachlichen Austausch konzentrieren kann.
    „Genauso eindeutig ist es aber weder sachgerecht noch erwünscht, dass der sachbearbeitende Anwalt sich die „Informationen“ von Kollegen aus dem Internet besorgt, über deren Qualifikation ihm eben nichts Näheres bekannt sein kann“ – naja, besser als eine Google-Suche ist das schon. Abgesehen davon ist es jedem Teilnehmer bewusst, dass er/sie persönlich für das Ergebnis verantwortlich ist.

  7. RA Gerth
    RA Gerth sagte:

    Auch die andere Gruppe ist eine geschlossene Gruppe. Wo ist der Unterschied in Sachen „Heimlichtuerei“? Und wo findet sich der „einschlägig spezialisierten Kanzleikollege“ in einer Allgemeinkanzlei? Bei nur ca. 45.000 Fachanwälten, Zweifach- und Dreifachqualifikation nicht berücksichtigt bei ca. 145.000 Rechtsanwälten sind diese nur begrenz verfügbar. Und in der Regel wissen Anwälte schon zu welchen Themen sie sich äußern und zu welchen nicht. Nämlich zu denen mit denen sie zu tun haben, wo sie etwas wissen oder beitragen können.

  8. Reinhard Otto
    Reinhard Otto sagte:

    Es verlässt siech niemand auf irgendwelche Auskünfte anderer Kollegen/innen. Das zu unterstellen, ist Unsinn.
    Vielmehr nutzen die in der Gruppe zugelassenen Anwälte dieses Forum, um sich gedanklich auszutauschen, um Einzelfragen zu diskutieren, um die eigene Auffassung bestätigt zu bekommen oder auch mal, um neue Gedankengänge kennenzulernen.

    Diese Bashing-Versuche gegen die Gruppe klingen mir etwas wie Neid, weil jemand nicht mitspielen darf. Trauig sowas.

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