Freie Anwaltssoftware j-lawyer.org – Interview mit Jens Kutschke

Logo j-lawyer.orgJens Kutschke bietet unter j-lawyer.org eine Anwaltssoftware an, die jeder frei herunterladen und installieren kann. Ich sprach mit ihm über seine Software und seine Motivation.

Herr Kutschke, auf welchen Rechnern läuft Ihre Software eigentlich? Wie kann ich sie installieren?

Jens Kutschke
Jens Kutschke

j-lawyer.org ist ein Mehrbenutzersystem, d.h. es werden sowohl ein zentrales Serversystem als auch ein bis beliebig viele Clients installiert. Für den Server ist ein Dualcore mit 2 GB RAM und 120 GB Festplatte empfohlen, für den Client wird ein Dualcore mit mindestens 1 GB RAM und 50 MB freiem Festplattenspeicher benötigt. Es können beide Teile auf dem gleichen PC betrieben werden.

Unterstützt werden alle wichtigen Windows-Systeme ab Windows XP sowie aktuelle Linux-Distributionen. Auch ein Mischbetrieb mit Windows und Linux im Netzwerk ist problemlos möglich.

Eine Installation in 10 Schritten ist für beide Betriebssystemvarianten auf der Website beschrieben, für Linux am Beispiel von Ubuntu. Die Installation läuft aktuell noch nicht vollautomatisch – es werden daher nacheinander eine MySQL-Datenbank, Java und das j-lawyer.org-System installiert.

Welche Funktionen deckt j-lawyer.org ab? Kann man damit “richtig” arbeiten?

Die wichtigsten für die anwaltliche Arbeit benötigten Funktionen sind enthalten: j-lawyer.org bietet eine Adressverwaltung, eine Aktenverwaltung (inklusive Wiedervorlagen, automatisch geführter Historie, Kollisionsprüfung uvm.), Dokumentenverwaltung (inklusive Vorlagenfunktion und Einbindung von Scangeräten), E-Mails direkt im Programm sowie Telefonie-, Fax- und SMS-Funktionen. Hinzu kommen weitere Funktionen für einen möglichst wartungsarmen Betrieb und effiziente Datenerfassung – bspw. automatische Datensicherungen und Importe für das deutsche Bankenverzeichnis und Postleitzahlen.

j-lawyer.org ist somit eine Alternative für Einsteiger, kleine und mittelgroße Anwaltskanzleien. Beispielsweise verwaltet ein mir bekannter Referenzanwender mit sechs Client-Arbeitsplätzen derzeit insgesamt ca. 8.000 Akten mit über 75.000 Dokumenten. Das System ist von Grund auf dafür entworfen, mit großen Datenmengen und Nutzern umgehen sowie eine breite Funktionspalette anbieten zu können.

Wann sind Sie gestartet und wieviele Nutzer gibt es inzwischen?

Mein Engagement für Kanzleiorganisation und insbesondere -software reicht bis ins Jahr 1999 zurück. In diesem Zeitraum entstand bereits eine Lösung, die in einer Kanzlei über viele Jahre erfolgreich lief, aber nie für die Allgemeinheit veröffentlicht wurde.

Im Oktober 2011 entschied ich mich, zusammen mit einem engagierten Juristen, für einen “Neuanfang”: Moderne Technologien und -entwicklungsprozesse sowie ein kritischer Blick auf die Abläufe in einer Kanzlei sollten die Grundlage für eine zukunftssichere Plattform schaffen. An diesem Punkt war es auch klar, dass das Resultat für Jedermann zur Verfügung gestellt werden würde – die immense Arbeit, die in so ein Projekt gesteckt wird, wäre bei einer “Inselinstallation” mit Sicherheit nicht gut investiert.

Im Juni 2012 wurde dann die Version 1.0 veröffentlicht und in den Folgemonaten iterativ erweitert. Aktuell ist Version 1.5 verfügbar und das nächste Release ist in Arbeit

Da das System von Jedermann kostenlos und ohne Anmeldung heruntergeladen und installliert werden kann, habe ich keine verlässlichen Zahlen für die Anzahl der Installationen. Allerdings ist durch regelmäßige Kontaktaufnahmen per Forum oder E-Mail festzustellen, dass sich eine kleine Community gebildet hat – die Mehrzahl der Anwender kommt aus allen Teilen Deutschlands, weiterhin gibt es vereinzelte Installationen in Österreich.

Wie sind Sie eigentlich auf die Idee gekommen, eine Kanzlei-Software zu programmieren?

Das war vielmehr ein längerer Prozess als eine Idee. Initial habe ich eine Kanzlei im Bekanntenkreis in allen IT-Belangen unterstützt. In meiner beruflichen Karriere (weitab der Juristerei) habe ich mich intensiv sowohl mit Softwareentwicklung als auch mit Wissensmanagement und Geschäftsprozessmodellierung beschäftigt. Mich hat begeistert, all diese Aspekte in der Kanzleiorganisation wiederfinden und anwenden zu können.

Für meine eigene Arbeit nutze ich für sehr viele Aufgaben freie Software. Das Angebot an freier Kanzleisoftware hingegen ist sehr überschaubar. Hier sehe ich großes Potential – und ebenso großen Bedarf seitens der Anwender. j-lawyer.org ist als Projekt angetreten, diese Lücke zu schließen, und ist dazu mit fachlicher und technischer Expertise gut aufgestellt. Auch wenn das System nicht Open Source ist, erlaubt die gewählte Creative Commons-Lizenz eine freie Nutzung und Weitergabe.

Sie bieten die Software vollständig kostenlos an. Ist das ein reines Hobbyprojekt oder gibt es ein Geschäftsmodell?

Weder noch – es gibt kein Geschäftsmodell und auch keine derartigen Pläne für die Zukunft. Als reines Hobbyprojekt würde ich es allerdings auch nicht bezeichnen – alle Arbeiten rund um das Projekt (Softwareentwicklung, Unterstützung der Anwender, “Marketing”, Fachgespräche zu zukünftigen Features etc.) werden mit Ernsthaftigkeit vorangetrieben und der Anspruch ist, eine langfristig zuverlässige Lösung anbieten zu können – ein sehr wichtiger Punkt vor allem für Einsteiger und Kanzleigründer.

Für viele Anwender ist es wichtig, in Problemfällen einen Ansprechpartner zu haben. Welche Möglichkeiten haben die Anwender Ihrer Software?

Auf der j-lawyer.org – Website gibt es ein Anwenderforum, das bei Unterstützungsbedarf und für Anregungen genutzt werden kann. Die meisten der Beiträge wurden bisher innerhalb von Stunden beantwortet. Es gab noch keinen “worst case”, d.h. Instabilitäten des Systems. Die Mehrzahl der Anfragen dreht sich um die Nutzung und Installation. Sehr spezifische Sachverhalte können auch per E-Mail an mich gerichtet werden. Außerdem habe ich in Einzelfällen direkt bei der Installation unterstützt, beispielsweise per Fernwartung.

Natürlich ist der Vergleich mit Support durch kommerzielle Anbieter nicht angemessen – Anwender von j-lawyer.org werden aber in jedem Fall mit Rat und Tat unterstützt.

Was haben Sie für die Zukunft geplant?

Ich möchte das Projekt gern technisch und organisatorisch weiterentwickeln.

Momentan wird am nächsten Release gearbeitet – Schwerpunkt wird das automatische Übermitteln von Deckungsanfragen und Schadenmeldungen an Versicherungsunternehmen sein. Hinzu kommen zahlreiche kleinere Verbesserungen.

In den kommenden Wochen und Monaten soll außerdem die Installation vereinfacht werden, und es sind noch zahlreiche Anwenderwünsche in der “Pipeline”, die auf Umsetzung warten.

Immer wieder nachgefragt wird eine Version für Mac OS. Hier mangelt es noch an einer Testumgebung und der Unterstützung durch einen versierten Anwender.

Organisatorisch möchte ich die verschiedenen Aktivitäten gern auf ein breiteres Fundament stellen, denn mit steigender Anwenderzahl wächst auch der Aufwand. Dabei gibt es verschiedenste Bereiche in denen Unterstützung willkommen ist, auch für Nicht-Techniker: Öffentlichkeitsarbeit, Betreuung der Anwender, Dokumentation und Erstellung von Video-Tutorials, Tests von Vorabversionen uvm.

Ziel ist und bleibt es, eine ernstzunehmende Alternative zu sein, und die Anwender direkt in die Weiterentwicklung einzubeziehen.

Herr Kutschke, ich danke Ihnen für dieses Gespräch und wünsche Ihnen und Ihrem Projekt alles Gute.

Links:

4 Kommentare
  1. Martin Terhaag
    Martin Terhaag sagte:

    Hallo Herr Kutschke,

    interessant zu lesen, dass mittlerweile auch mehr und mehr deutsche Kanzleien diesen Schritt gehen! Einige Freunde von mir in den USA nutzen schon seit Längerem Lösungen wie z.B. Practice Panther und sind sehr zufrieden damit.

    Viele Grüße
    MT

  2. Ferdinand Schneider
    Ferdinand Schneider sagte:

    Dieses Interview mit Kutschke fand ich sehr interessant. Es ist toll, dass der freie Anwaltssoftware anbietet. Mein Onkel hat gerade erst selbstständig angefangen und hat nicht das Geld für teure Software. Er kann diese Software dankbar nutzen.

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