BGB.Kommentar.de – Interview mit Dr. Sabine von Göler
Vergangene Woche ist der BGB.Kommentar.de unter der gleichlautenden Internetadresse erschienen. Es handelt sich laut Ankündigung um einen „frei verfügbaren Kommentar zum Zivilrecht, dessen Inhalte kostenlos und ohne Registrierung für Jedermann zugänglich sind“.
Über den neuen Kommentar sprach ich mit Dr. Sabine von Göler, Rechtsanwältin und Geschäftsführerin der Dr. von Göler Kommentare, einem Geschäftsbereich der Karriere-Jura GmbH. Das Unternehmen betreibt u. a. den größten Stellenmarkt für Juristen im Internet mit über 500 Personalanzeigen im Jahr.
An wen richtet sich der Kommentar eigentlich? Mehr an die professionellen Kolleginnnen und Kollegen oder mehr an den “Endverbraucher”?
Da fragst Du direkt nach einem der zwei zentralen Unterschiede zu den gewohnten Print-Kommentaren: der Online-Kommentar wendet sich an beide Zielgruppen. Es gibt zwei Bereiche: neben dem Gesetzeskommentar, wie ihn die Juristen kennen, wird zusätzlich ein Bereich für den Rechtsverkehr, also mit Erläuterungen in einfacheren Worten für den juristischen Laien angeboten.
Über den zweiten Unterschied schreibst du schon in deiner Ankündigung: “Der Online-Kommentar macht dabei konsequent von den Möglichkeiten des Internets Gebrauch.” Was meinst du damit eigentlich?
Damit sind insbesondere drei Bereiche gemeint, die die Nutzbarkeit des Kommentars für Juristen maßgeblich beeinflussen:
Die Nummern der Fußnoten sind anklickbar, so dass der Leser ohne Unterbrechung des Leseflusses schnell zur Fußnote und wieder zurück in den Volltext gelangt. In den Fußnoten sind viele Urteile und Online-Quellen direkt verlinkt, wodurch man einfach schneller voran kommt.
Es werden Randnummern angeboten, um die schnelle Auffindbarkeit spezieller Fundstellen sicher zu stellen. Die Randnummern sind dabei ebenfalls anklickbar: In einem Popup werden dann zwei Kopiervorlagen für die einfache Übernahme eines Zitier-Vorschlags angeboten: einmal als Text für gedruckte Medien oder als Link, falls man seine Äußerung in einem Online-Medium mit einem Quellen-Hinweis versehen möchte, bspw. in einem Blog, Diskussionsforum oder einer Meldung auf der eigenen Homepage.
Die verbesserten Möglichkeiten eines Online-Mediums: Neben einer schnellen Volltextsuche und der Vernetzung mit weiterführenden Inhalten im Internet ist dies vor allem die Aktualität: einen ersten Hinweis auf ein neues Urteil kann der Autor bereits am Tag der Veröffentlichung einpflegen. Wenn er dann am nächsten Wochenende einen Absatz ergänzt und einen Monat später eine ganze Seite daraus wird, dann ist das für den einen oder anderen Kollegen vielleicht der entscheidende frühe Hinweis, der in einem gedruckten Kommentar vielleicht erst ein Jahr später zur Verfügung stünde.
Bisher sind erst ein paar Paragraphen kommentiert z.B. §§: 80 ff. (Stiftungen); 712 ff. (Gesellschaftsrecht); 1004; 1371 ff. (Familienrecht); 611 ff. (Arbeitsrecht), 631 ff. (Werkvertragsrecht). Wie ist der weitere Ausbau geplant?
Viele Autoren sind schon fleißig an der Arbeit. Insofern werden in den nächsten Monaten viele wertvolle Kommentierungen veröffentlicht. Da die Autoren diesen Service nicht zuletzt auch der Mandantschaft zur Verfügung stellen, darf man davon ausgehen, dass die wichtigsten und am häufigsten nachgefragten Normen zuerst bearbeitet werden. Bereiche, die beispielsweise schon fast vollständig abgebildet sind oder kurzfristig dargestellt sein werden, sind das Arbeitsrecht, Mietrecht und Stiftungsrecht. Wo noch Autoren in besonderem Maße willkommen sind, ist das Erbrecht, Schuldrecht und einige andere Bereiche. Aber schließlich: auch Wikipedia ist nicht an einem Tag entstanden.
Ist geplant, die Leser einzubeziehen und z. B. das Kommentieren der Kommentare für jedermann freizugeben?
Da die Qualität der Bearbeitung für den Nutzen eines Kommentars das A und O ist, wird dies nicht geschehen. Aber natürlich werden Funktionen angeboten, mit denen die Leser der Redaktion ein Feedback zukommen lassen können, was sehr erwünscht ist! Daneben können Nachrichten schon heute über die Adressen im Impressum zugesendet werden.
Es kann immer nur einen Kommentator pro Paragraph geben, richtig? Wenn sich nun mehrere Interessenten melden, nach welchen Kriterien erfolgt die Auswahl?
Das ist eine Mischung aus „first come, first served“ und der Kompetenz und Erfahrung als Kommentator der jeweiligen Autoren. Wir freuen uns jedoch noch über viele Anfragen von Kollegen zur Teilnahme.
Für Anwälte sicher eine schöne Möglichkeit, im Internet künftige Mandanten auf ihre spezielle Expertise aufmerksam zu machen, oder?
Unbedingt! Wer kennt das nicht: Woher sollen neue Mandanten auch wissen, ob man Spezialist im jeweiligen Bereich ist, wenn die Anfrage nicht zufällig im Kernbereich von Fachanwaltstiteln liegt? Mit der Kommentierung erlaubt man als Spezialist schon einen ersten Einblick in die eigene Expertise. Die Frage nach der Kompetenz stellt sich dann bei der späteren Mandatierung typischer Weise schon gar nicht mehr. So kommt der Mandant bereits überzeugt auf den Anwalt oder die Anwältin zu und es entfällt das manchmal als recht unangenehm oder nervig empfundene „Abtasten“ ob der Kompetenz.
Es könnte wieder so werden, wie es früher einmal war, als die Mandanten mit größtem Vertrauen zum Anwalt als Organ der Rechtspflege kamen und fast blindlings ihren Sorgenfall in die Hände ihres Fürsprechers übergaben. Aber selbst wenn wir ein Ideal nicht schon übermorgen erreichen – zumindest werden Wissen und einschlägige Kontaktmöglichkeiten angeboten, damit sind wir doch schon einen Schritt weiter.
Wie sieht das aus mit den Aktualisierungen? Wie stellt Ihr dann die Zitierfähigkeit sicher? Arbeitet Ihr mit “Auflagen”? Bleiben alte Beiträge archiviert?
Die Autoren haben sich verpflichtet, regelmäßig Aktualisierungen vorzunehmen. Da sie in der Regel auch mit ihren Kanzleidaten unter der jeweiligen Norm sichtbar sind, werden die Autoren sicherlich sehr darauf achten, dass die Inhalte topaktuell gepflegt sind. Die Zitierfähigkeit bleibt insofern erhalten, als Randnummern stets beim jeweiligen Inhalt verbleiben. Alte Beiträge werden intern bereits archiviert und könnten künftig auch öffentlich zugänglich gemacht werden. Die Zukunft wird zeigen, ob der Bedarf dafür in einem gesunden Verhältnis zum dafür nötigen Aufwand steht.
Ist der BGB-Kommentar jetzt der Anfang einer Kommentar-Reihe? Gibt es schon konkrete Pläne?
Tatsächlich sind die Planungen schon ganz konkret. Unter der prägnanten Adresse Kommentar.de sind mit entsprechenden Sub-Domains natürlich auch viele weitere Kommentare denkbar.
Hierfür haben wir auch schon etliche Autoren-Anfragen vorliegen, die mit wirtschaftsrechtlich ausgerichteten Kanzleien eine Kommentierung im BGB-Kommentar frühzeitig übernommen haben, um grundsätzlich Erfahrungswerte mit diesem neuen Medium zu generieren.
Liebe Sabine, ich danke für dieses Gespräch und wünsche euch mit dem neuen Kommentar viel Erfolg!
Wie wird dieser Kommentar denn finanziert bzw. welches Geschäftsmodell steht dahinter?
Damit man als Autor in Erscheinung treten darf (mit einer großformatigen Anzeige am Ende der Kommentierung – Beispiel siehe Screenshot), hat man einen Obolus zu entrichten.
Erstaunlich, dass es tatsaechlich Anwaelte gibt, die bezahlen, um sich im Internet darstellen zu koennen – wo doch dank WordPress etc. jeder mit einfachen Mitteln veroeffentlichen kann, was immer er moechte.
Im Zusammenhang mit der „Huffington Post“ gibt es ja unter Journalisten die Diskussion, ob es ratsam ist, kostenlos Artikel zu schreiben um Aufmerksamkeit zu bekommen. Aber nicht nur kostenlos zu schreiben, sondern dafuer auch noch zu bezahlen ist natuerlich noch einmal etwas ganz anderes.
Wie schon vor etwas mehr als einem Jahr gesagt: So wird das nichts!
Und nach Lektüre dieses Interviews wird es mir endgültig klar: Es geht überhaupt nicht um einen BGB-Kommentar für jedermann o.ä. – sondern ausschließlich um die Vermarktung von Anzeigen solcher Kollegen, die bereit (oder so doof?) sind, hierfür auch noch Arbeit (=Kommentierung) und Geld zu investieren. So wir der weitaus größte Teil der (numerisch) 2.385 Paragrafen auch in Zukunft unkommentiert bleiben – und das Projekt wohl irgendwann sein verdientes Ende finden.